Ort und Geschichte
Kerspleben, eine kurze Dorfgeschichte
 
Entstehungszeit
Kerspleben wird erstmalig in einem Güterverzeichnis des Erfurter Petersklosters aus dem Jahre 1104 in der Schreibweise „Kispeleybin“ (um 800 nach Christi heißt die Endung „leba“ z.B. Andisleben welches um 800 als „Ansoldersleba“ bezeichnet wird, siehe Güterverzeichnis Erzbischof Ruthard von Mainz) erwähnt. Der Ortsname gibt den Hinweis, dass Kerspleben in der Zeit der Völkerwanderung entstanden sein muss. Ortschaften mit der Endung „leben“ (= bleiben, sich sesshaft machen) sind Gründungen des dänischen Volksstammes der Warnen, die mit den Angeln (England) um 400/500 nach Christi auf der Wanderfahrt von Nord nach Süd durch unser Gebiet kamen. Rückblick: Der Grenzwall des römischen Reichs, der Limes, wurde unter den flavischen Kaisern im ersten nachchristlichen Jahrhundert erbaut: Vespasianus 69 - 79 nach Christi Titus 79 - 81 nach Christi Dominitianus 81 - 96 nach Christi Der Limes in Deutschland verlief vom Rhein südlich von Bonn über den Taunus und der Mainlinie zur Donau, über das bayerische Alpenvorland und Augsburg weiter nach Regensburg. Die Anlage des Walles: Wall mit Graben, Palisaden, Steinmauern, Kastelle aus Stein oder Holz, unterbrochen durch Wachtürme im Abstand von einem ½ Tagesmarsch (10 – 15 km) („Limes“ ist eigentlich der Verbindungsweg zwischen 2 Grenzposten). Seitdem der “Limes germanicus” im Jahr 254 nach Christi aufgegeben worden war, war der Weg für die nach Süden drängenden nordischen Völkerschaften frei. Die „Völkerwanderung“ vollzog sich in der Zeit von 300 bis 500 nach Christi. Das Wort Kirspe oder Kersp ist wohl der Name des führenden Mannes jener Siedlergruppe, die sich bei uns sesshaft machte. Der älteste Siedlungsteil unseres Dorfes befand sich, wie viele Bodenfunde ergeben haben, am unteren östlichen Teil des Dorfes. Das dort am Dorf vorbeifließende Flüsschen Linderbach war lebenswichtig als Wasserspender, aber auch schützende Grenze gegen Eindringlinge. Dieses ursprüngliche Wohngebiet (also ab der Wallicher Brücke am Ende der Straße „Zum Sulzenberg“ flussaufwärts bis zur verlängerten Mittelgasse1) ist heute hauptsächlich unbewohntes Gartenland.
 
Dorfanlage
Die Gesamtanlage des alten Dorfes vom Bach bis zur Erfurter Straße2 hat sich in den vielen Jahrhunderten kaum verändert. Sie wird bestimmt durch die markante Mitte des großen Dorfplatzes, auf die vom Bach her drei Straßen zulaufen, deren mittlere bis heute noch immer die „Mittelgasse1“ heißt. Das alte Dorf hatte im Osten und Süden seine natürliche Begrenzung durch den Bach. Die West- und Nordseite des Dorfes war durch Bauten wie Mauern, Scheunenrückwände und dem massiven Kirchenbau mit dem gotischen Wehrturm (erbaut 1456) abgesichert. Zwei Dorftore (Schenktor und Gasthofstor) erlaubten oder verwehrten den Zutritt zum Dorf. An dieser Dorfumgrenzung führte die Leipziger Handelsstraße vorbei. Von Frankreich kommend verlief sie über Erfurt und Leipzig nach Russland. Diese alte Handelsstraße (auch Via Regia genannt) und das von uns nur 7 km entfernte Handelszentrum Erfurt brachte viel reisendes Volk mit ihren Fuhrwerken zum Dorf. Daraus erklärt sich, dass an dieser Dorfseite (heute Kersplebener Chaussee) in dichter Folge vier Gasthäuser in Richtung Erfurt standen: • der Gasthof später Weißer Schwan benannt (mit Dorftor) • die Gemeindeschenke (mit Dorftor) • der Löwe (später Grundstück Urbich) • die Sonne (am Friedhofsausgang) Begünstigt wurde ihr Geschäft durch den Umstand, dass jenseits der Handelsstraße eine große Angerwiese zum Abstellen der Fuhrwerke einlud. Heute ist der Dorfanger längst bebaut (seit etwa 150 Jahren) und ist von 8 Straßen durchzogen. Die bedeutsame Leipziger Handelsstraße selbst hatte aber für die anliegenden Ortschaften nicht nur Vorteile. Sie war zu Zeiten auch eine große Gefahr. Denn nicht immer kamen friedsame Handelsleute auf ihrem Weg gezogen. In Kriegszeiten wurden die Dörfer an der großen Straße von räubernden Gesellen und plündernden Soldaten oft arg mitgenommen. Der 30-jährige Krieg (1618 – 1648) und der 7-jährige Krieg (1756 – 1763), aber auch die sogenannte „Franzosenherrschaft“ unter Napoleon brachten viel Leid. Zu letzterem ein Beispiel: Als nach der Völkerschlacht bei Leipzig die geschlagenen Franzosen im Oktober 1813 auf der großen Straße westwärts zogen machte ein Teil von ihnen einen Halt vor Kerspleben und errichteten an der Landstraße nach Erfurt im Singerfeld (heute Gewerbegebiet) ein Biwak. Die kühle Jahreszeit machte Lagerfeuer erforderlich, zu dessen Brennwerk die aus dem Dorf geholten Türen, Fenster und andere Materialien dienen mussten. Der Pfarrer klagt darüber, dass sie ihm nicht nur die Türen und Fenster, sondern auch die alten, dickbändigen Kirchenbücher weggeholt hätten. Welch ein unwiederbringlicher Verlust an wertvollem Geschichtsmaterial ist da sinnlos ins Feuer geworfen worden! Damit sind wir beim nächsten Abschnitt angekommen, der ein Stück Ortsgeschichte festhalten soll.
 
Ortsgeschichtliches
Der Bauernkrieg 1525, in dem Thomas Müntzer bei Bad Frankenhausen mit seinen Bauern Schlacht und Leben verlor, schlug seine Wellen auch bis in unser Gebiet. Am 26. April 1525 wird in einer Bauernversammlung in der Schenke von Kerspleben, zu der Teilnehmer aus 14 Dörfern zusammengekommen waren, die Erhebung beschlossen. Zum Führer der Bauernschaft wird Hanß Tunger, ein Kersplebener Bauer, gewählt. Am 27. April 1525 stehen die „Bauernhaufen“ aus den Dorfschaften um Kerspleben, aus Tonndorf und Mühlberg vor Erfurt als ein vereintes Bauernheer mit ihren Anführern Tunger (Kerspleben), Becke (Tonndorf) und Heyder (Mühlberg). Am 28. April mittags wird ihnen das „August-Tor“ (es stand da, wo heute die Kreuzung Bahnhofstraße - Juri-Gagarin-Ring ist) geöffnet. Für etwa 8 Tage übernahmen die Bauern die Herrschaft in der Stadt. Es kam aber niemand dabei zu Tode. Inzwischen hatte Erfurt heimlich nach Weimar geschickt und um Hilfe gebeten. Herzog Bernhard von Weimar half der bedrängten Stadt und nahm die Anführer der Bauern gefangen. Sie wurden am 25.08.1525 „auf der Wagd“ im Steiger durch den Jenaer Scharfrichter enthauptet. Tunger konnte rechtzeitig entkommen. Viele Jahre hielt er sich „in Sorgen und Fluchten“ in Sachsen verborgen, eine andere Version nennt Württemberg, wohin er mit seiner Frau unter Namensänderung geflüchtet sein soll. Tunger kam nach den „Elend“ (Ausland) –Jahren wieder heim und blieb unangefochten. Er hatte einen ansehnlichen Hof in Kerspleben gehabt. Sein Gehöft befand sich in der Düngergasse (Tungergasse) unten am Bach. Im Jahre 1757 kam der König von Preußen, Friedrich II., in der Geschichte der „Große“ genannt, während des 7-jährigen Krieges in das Erfurter Gebiet. Im Pfarrhaus von Kerspleben nahm er für 10 Tage (17. bis 27. September) Quartier und ließ seine Truppen im Dorf und den umliegenden Ortschaften lagern. Eine Gedenktafel am Pfarrhaus vermerkt dieses Ereignis und eine heute noch lesbare Bleistiftnotiz in der Kirche vermerkt, dass „Corporal Thiemann hier am 27. September 1757 zu Gottes Tische (Abendmahl) gegangen ist“. Am 12. Juli 1818 war ein verheerender Großbrand, bei dem 46 Hofstätten (118 Gebäude mit Scheunen und Ställen) niederbrannten. Damals waren die Häuser aus Lehmfachwerk mit Strohdächern. Das verursachte den Riesenschaden, der den nordöstlichen Teil des Dorfes (also ab Dorfplatz bis zum Bach und Mittelgasse) zerstörte. Unter der Oberaufsicht des Weimarer Oberbaudirektors, Bauminister Coundray, wurden, unter Beachtung der alten Dorfanlage, die Gehöfte wieder aufgebaut. Einige Jahre danach erfasste den südlichen Teil des Dorfes ein Schadensfeuer. Auch dieses Viertel entstand unter Beachtung der alten Dorfanlage wieder neu. So hat Kerspleben bis heute in seinem Dorfbild den geschlossenen, bäuerlich geprägten Dorfcharakter bewahrt. In den Jahren der DDR ist Kerspleben von den hässlichen Betonbauten im Fertigteilbau im Unterschied zu anderen Dörfern verschont geblieben. So wird das, unser Dorf prägende, ländliche Aussehen mit dem großen Dorfplatz im Ortskern auch weiterhin gewahrt werden.
 
Aktuelles
Die Gemarkung von Kerspleben hat eine Fläche von 1376 ha. Im Norden erhebt sich eine kleine Hügelkette, deren markanteste Punkte von West nach Ost sind der „Herrschaftsberg“ mit 230,2 m, der „Große Katzenberg“ mit 234,8 m und der „Kleine Katzenberg“ mit 235,5 m. Im Bereich dieser Hügelkette befinden sich geschützte Landschaftsbestandteile. Vor allem Trockenbiotope und Streuobstwiesen. Das flachwellige Hügelland wird weitgehend ackerbaulich genutzt. Die Heilig-Geist-Kirche zu Kerspleben besitzt einen 52 m hohen Glocken- und Signalturm aus dem Jahr 1456, der Anbau der Kirche, sowie der Aufsatz, der in sich gedrehten achteckigen hohen Turmspitze, stammt aus dem Jahr 1721. Einrichtungen wie Kindergarten, Gesamtschule, Sportplatz und Turnhalle, Verkaufsstellen (Lebensmittelmarkt, Fleischer, Bäcker usw.), Arzt-, Zahnarzt- und Tierarztpraxen und Fitnesseinrichtungen gehören ebenfalls zur guten Infrastruktur des Ortes wie die Gaststätten und Hotels mit auserlesener Thüringer und internationaler Küche. Rührige Vereine der Ortschaft, wie der Feuerwehrverein, der Heimat- und Geschichtsverein, der Sportverein TSV Kerspleben, der Gewerbeverein, der Kleingartenverein, der Förderverein des Kindergartens, Fördervereine der Schulen sowie der Bläser- und Frauenchor der Kirchgemeinde sorgen für die Pflege der Tradition und des Brauchtums im Thüringer Land. Die neuen Gewerbeflächen für Investoren oder andere Unternehmen sind für Kerspleben außerhalb des Dorfes, nach Erfurt zu, entstanden. Der erste Spatenstich und der Beginn der Erschließung für das ca. 42 ha große Gewerbegebiet „Fichtenweg“ war am 30.01.1992. Hier sind über 50 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, der Dienstleistung und des Großhandels ansässig. Weiterhin gibt es eine Vielzahl von mittelständischen Handwerksbetrieben im alten Ortskern. Für die Erweiterung des Dorfes begann 1995 die Erschließung des ersten Teiles des Wohnungsbaugebietes „Am Neuen Schwerborner Weg“ nordöstlich der Kersplebener Chaussee. Ab November 2000 wurde das Wohngebiet in westlicher Richtung erweitert. Mit diesen Wohngebieten verdoppelte sich die Einwohnerzahl Kersplebens auf aktuell rund 1.750 Einwohner. Durch die Nähe zur Ostumfahrung ist eine gute Verkehrsanbindung zu den Autobahnen A4 und A71 gegeben. Über den öffentlichen Personennahverkehr mit den Buslinien 43 und 141 und ab der Haltestelle „Marcel-Breuer-Ring“ am Ringelberg die Stadtbahnlinie 2 ist Kerspleben von Erfurt aus gut erreichbar.
 

nach Straßenumbenennung 2001 „Alte Mittelgasse“
nach Straßenumbenennung 2001 „Kersplebener Chaussee“
 
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